Großunternehmen haben sich bei Verkäufen während der Corona-Pandemie zurückgehalten
Die Corona-Pandemie hat die Verkaufspläne vieler Großunternehmen zunächst einmal auf Eis gelegt: In den ersten fünf Monaten des Jahres blieb das Desinvestitionsvolumen in wichtigen Märkten weltweit deutlich unter dem Niveau der Vorjahre.
- Der Desinvestitionswert sank von Januar bis Mai um 42 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum
- Deal-Wert in Deutschland stieg von 15,4 Milliarden auf 25,3 Milliarden US-Dollar – vor allem durch Verkauf der thyssenkrupp-Aufzugssparte
- Einbruch in den beiden größten Märkten USA und China
- Großes Interesse an Technologiefirmen – könnte durch die Erfahrungen aus der Krise weiter zunehmen
Die Corona-Pandemie hat die Verkaufspläne vieler Großunternehmen zunächst einmal auf Eis gelegt: In den ersten fünf Monaten des Jahres blieb das Desinvestitionsvolumen in wichtigen Märkten weltweit deutlich unter dem Niveau der Vorjahre: So trennten sich die untersuchten Konzerne zwischen Januar und Mai von Unternehmensteilen im Gesamtwert von gerade einmal 379 Milliarden US-Dollar. Im Vorjahr wurden im gleichen Zeitraum bereits 656 Milliarden US-Dollar erzielt – das entspricht einem Rückgang um 42 Prozent.
Die Zahl der Desinvestitionen ging ebenfalls zurück, wenn auch nicht ganz so deutlich. In den ersten fünf Monaten 2020 wurden 2.980 Deals gezählt, 2019 waren es im gleichen Zeitraum 3.719 – ein Rückgang um knapp 20 Prozent.
Allerdings kann schon seit mehreren Jahren ein Trend zu insgesamt weniger Deals beobachtet werden, dafür steigt aber der Wert einzelner Desinvestitionen oft deutlich an – eine Tendenz, die sich auch in diesem Jahr beobachten lässt.
So stieg der Transaktionswert in Deutschland von 15,4 Milliarden US-Dollar im Zeitraum Januar bis Mai 2019 auf 25,3 Milliarden US-Dollar im diesjährigen Vergleichszeitraum – getrieben vor allem durch die Veräußerung der Aufzugssparte von thyssenkrupp für umgerechnet 18,8 Milliarden US-Dollar. In Frankreich erhöhte sich das Deal-Volumen signifikant von 11,4 Milliarden US-Dollar auf 22,4 Milliarden US-Dollar. Auch in diesem Fall war im Wesentlichen ein Deal für den Anstieg verantwortlich – der Verkauf von Anteilen an der Ingenico Group durch BPIfrance für 11,4 Milliarden US-Dollar. In Großbritannien sorgte der Verkauf des Thailand- und Malaysia-Geschäftes von Tesco PLC durch Sime Darby im Wert von 10,6 Milliarden US-Dollar für einen Gesamtanstieg des Volumens von 15,8 Milliarden US-Dollar auf 25,6 Milliarden US-Dollar.
In den beiden größten Märkten – den USA und China – traten die Verkäufer in den ersten fünf Monaten des Jahres dagegen auf die Bremse. In den USA – wo seit Jahren der höchste Deal-Wert erzielt wird – betrug der Gesamtwert nur noch 111,3 Milliarden US-Dollar. Im Vorjahreszeitraum lag er mit 231,6 Milliarden US-Dollar noch mehr als doppelt so hoch. Auch der chinesische Markt – von der Deal-Anzahl betrachtet bereits der größte Einzelmarkt – kühlte merklich ab: Einem Deal-Wert von 67,8 Milliarden US-Dollar in den ersten fünf Monaten 2019 stand in diesem Jahr nur ein Vergleichswert von 41,9 Milliarden US-Dollar gegenüber.
Das sind Ergebnisse einer weltweiten Studie zu Unternehmensverkäufen, für die die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY Divestments in ausgewählten Märkten ausgewertet hat (Deutschland, USA, Vereinigtes Königreich, Frankreich, China und die sogenannten Nordics, zu denen Schweden, Norwegen, Finnland und Dänemark zählen).
Carsten Kniephoff, Leiter Divestment für die Region EMEIA bei EY: „Die Corona-Pandemie verändert alle Lebensbereiche. So auch die Wirtschaft, wo die Pläne für Verkäufe von Unternehmensteilen wegen der Krise erst einmal auf Eis gelegt wurden. Das ist aber nur die Ruhe vor dem Sturm – denn die Großunternehmen in Deutschland und der Welt werden sich in den kommenden Monaten verstärkt von Bereichen trennen. Bei zahlreichen Großkonzernen ist die Verschuldung kritisch angestiegen – sie sind gezwungen, sich zu transformieren und sich auf Kerngebiete zu konzentrieren.“
Aus Sicht von Kniephoff wird es aber nicht zu kurzfristigen „Notverkäufen“ kommen. „Eine erfolgreiche Desinvestition muss gut vorbereitet werden und braucht Zeit. Wir reden hier von mindestens sechs Monaten.“
Sollte es in den kommenden Monaten hierzulande nicht zu einem Rückschlag im Kampf gegen die Corona-Pandemie kommen, könnten deutsche Unternehmen als Gewinner aus der Krise hervorgehen, erwartet er. „Die deutsche Wirtschaft ist vergleichsweise gut durch die Krise gekommen. Das Kerngeschäft der meisten Unternehmen ist gesund. Allerdings hat die Pandemie Schwachstellen in Geschäftsmodellen und Lieferketten schonungslos aufgedeckt. Der Verkauf von Unternehmensteilen kann daher ein probates Mittel sein, um den Umbau des eigenen Ge-schäftsmodells voranzutreiben. Gleichzeitig kann der gezielte Zukauf dabei helfen, die Zukunftsfähigkeit zu sichern.“
Großes Interesse an Technologiefirmen
Besonders Technologie- und Medienfirmen stehen derzeit im Fokus von interessierten Käufern. Bereits 2019 wurden mit 1.778 die meisten Deals in diesem Bereich getätigt und auch das Gesamtvolumen war mit 328 Milliarden US-Dollar das höchste aller untersuchten Branchen. Auch in den ersten fünf Monaten des Jahres wurden bereits 83 Milliarden US-Dollar bei insgesamt 624 Deals investiert – so viel wie in keiner anderen Branche.
Die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie könnten dem Trend zum Kauf von Technologiefirmen einen weiteren Schub geben, erwartet Kniephoff: „Spätestens die Krise hat aufgezeigt, dass digitale Lösungen dabei helfen, die Prozesse im Unternehmen weiterzuführen, Lieferketten zu steuern und die Kommunikation mit Kunden und Vertragspartnern aufrecht zu halten. Digitales Know-how muss in vielen Unternehmen aber erst mühsam aufgebaut werden – durch Zukäufe können sie sich dieses Wissen schneller aneignen. Daher wird das Interesse an Digitalunternehmen weiter ansteigen.“
(Quelle)