Keine Welle chinesischer Käufer, Investoren bleiben 2020 zu Hause
- Regierungen, darunter Spanien, Frankreich und Australien, haben Vorschriften für ausländische Käufer eingeführt oder verschärft, um strategische Vermögenswerte während der durch die COVID-19-Pandemie ausgelösten Rezession zu schützen.
- Neue Daten lassen jedoch keine Welle des chinesischen Interesses erkennen. Die Investoren bleiben bisher zu Hause, da der Wert der angekündigten Transaktionen ins Ausland in den ersten fünf Monaten dieses Jahres um 93 Prozent auf nur 1,4 Milliarden US-Dollar in Europa und um 89 Prozent auf 700 Millionen US-Dollar in Nordamerika gefallen ist.
- In den ersten fünf Monaten des Jahres 2020 beliefen sich die angekündigten ausländischen Fusionen und Akquisitionen in China auf insgesamt 9 Milliarden US-Dollar. Damit übertrafen sie zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt sowohl hinsichtlich des Volumens als auch des Wertes die chinesischen M&A-Aktivitäten im Ausland.
Seit Beginn der COVID-19-Pandemie erweiterten viele Länder weltweit die Regeln für das Investitions-Screening. Ziel war es, strategische Vermögenswerte davor zu schützen, von opportunistischen ausländischen Investoren günstig aufgekauft zu werden. Zumindest im Hinblick auf chinesische Investitionen sind diese Befürchtungen bisher unbegründet. Das ergaben die neuesten Untersuchungen der globalen führenden Anwaltskanzlei Baker McKenzie in Kooperation mit der Rhodium-Gruppe.
In den ersten fünf Monaten des Jahres 2020 brachen die chinesischen M&A-Aktivitäten im Ausland im Vergleich zu den Vorjahren ein. Die Zahl der neu angekündigten Transaktionen fiel von rund 90 pro Monat im Spitzenzeitraum 2016 bis 2018 auf knapp 30 pro Monat zwischen Januar und Mai 2020. Verglichen mit dem korrespondierenden Zeitraum 2019 sank die Zahl der von chinesischen Firmen im Ausland getätigten neuen Transaktionen um 71 Prozent im Volumen und um 88 Prozent im Wert.
Der starke Rückgang der neu angekündigten chinesischen M&A-Transaktionen im Ausland ist ein globales Phänomen. Bislang kündigten 2020 alle Unternehmen in China etwa den gleichen Betrag für Übernahmen im Ausland an wie die HNA Group 2016 in einer einzigen Transaktion – dem Erwerb einer 25-prozentigen Beteiligung an Hilton Worldwide Holdings (6,5 Milliarden US-Dollar). Während in Asien ein Wertverlust von 65 Prozent zu verzeichnen war, fielen die angekündigten Übernahmen in Europa um 93 Prozent von 19,5 Milliarden USD auf 1,4 Milliarden USD und in Nordamerika um 89 Prozent von 6 Milliarden USD auf 0,7 Milliarden USD.
Im Vergleich zu den Boomjahren sind die chinesischen Investoren im Ausland derzeit einfach nicht in der gleichen Position, um ihre Käufe im Ausland zu steigern“, sagte Thomas Gilles, Chair der EMEA-China Group von Baker McKenzie. „Chinesische Unternehmen mit globalen Ambitionen sehen sich heute mit einem ganz anderen Umfeld konfrontiert, und zwar durch eine Kombination aus einer höheren Schuldenlast, strengeren Liquiditätsbedingungen im Inland, Pekings Kontrollen der Kapitalströme ins Ausland und einer Zunahme der Handels- und Investitionsbeschränkungen im Ausland.“
Erhöhte Beschränkungen trotz sinkender Nachfrage
Trotz der Verpflichtung der G20, ausländische Direktinvestitionen (FDI) und Handel während der COVID-19-Pandemie aufrechtzuerhalten, haben die Regierungen zunehmend Beschränkungen für ausländische Investitionen erlassen. Zur Ergänzung der neuen EU-Vorschriften im Jahr 2019 und der US-Vorschriften im Jahr 2020 veröffentlichte die Europäische Union im März 2020 aktualisierte Leitlinien für das FDI-Screening. Diese fordern die Mitgliedstaaten auf, die öffentliche Sicherheit Europas zu unterstützen, indem sie „Unternehmen und kritische Vermögenswerte“ in gesundheitsbezogenen Branchen vor ausländischen Übernahmen schützen.
Viele Länder haben die FDI gebremst. In beständigeren Änderungen dehnte Deutschland sein Überprüfungssystem für ausländische Investitionen auf den Gesundheitssektor aus. Hingegen kündigten Schweden, Neuseeland und Polen Pläne für eine Screening-Gesetzgebung an. Unterdessen wird auch Großbritannien nach jahrelangen Beratungen demnächst ein neues Screening-Regime vorschlagen, und zwar durch ein lang aufgeschobenes Gesetz über die nationale Sicherheit und Investitionen.
In den USA hat der Ausschuss für ausländische Investitionen in den Vereinigten Staaten (CFIUS) die Umsetzung der jüngsten Gesetzesreformen einen Monat vor der Pandemie abgeschlossen. Während die „Work-from-home“-Politik zunächst die Prüfung von Transaktionen verzögerte, hatte die Pandemie keine sichtbaren Auswirkungen auf die US-Politik. „Die Pandemie könnte das CFIUS dazu veranlassen, Transaktionen im Gesundheitssektor genauer als bisher zu prüfen, aber andernfalls würde man ein stabiles regulatorisches Umfeld für FDI in den USA erwarten“, sagte Rod Hunter, Partner bei Baker McKenzie und ehemaliger CFIUS-Beamter.
Vor kurzem veröffentlichte die Europäische Kommission auch Vorschläge für neue Regulierungsinstrumente. Damit trug sie ihrer Sorge Rechnung, dass ausländische Subventionen die Übernahme von EU-Unternehmen erleichtern oder die Investitionsentscheidungen, Marktaktivitäten oder die Preispolitik der Begünstigten zum Nachteil der nicht subventionierten Unternehmen verzerren. Die Vorschläge beinhalten ein obligatorisches Notifizierungssystem. Dieses würde es der Kommission ermöglichen, geplante Übernahmen zu überprüfen, die ausländische Subventionen beinhalten. Außerdem wäre die Kommission befugt zu untersuchen, ob ausländische Subventionen zu Verzerrungen im EU-Binnenmarkt führen, und wenn ja, verhaltensbezogene oder strukturelle Abhilfemaßnahmen aufzuerlegen. Die vorgeschlagenen Regeln werden für Subventionen gelten, die alle Nicht-EU-Ländern gewähren.
Vollständige Einzelheiten zu den Überprüfungsregelungen für ausländische Investitionen können über die FIRE-Analyseplattform von Baker McKenzie abgerufen werden. Diese beantwortet 49 detaillierte Fragen zu den Überprüfungsregelungen für ausländische Investitionen in 24 Gerichtsbarkeiten. Sie enthält zudem einen Fahrplan mit Zeitplänen, Risiken und Hindernissen für die Regulierung.
Wendet sich das Blatt?
Angesichts des Augenmerks auf chinesische Auslandsinvestitionen wurde kaum wahrgenommen, wie widerstandsfähig ausländische M&A in China in den letzten 18 Monaten gewesen sind. In den ersten fünf Monaten 2020 betrugen die neu angekündigten ausländischen Fusionen und Übernahmen nach China insgesamt 9 Milliarden Dollar. Damit übertrafen sie erstmals seit einem Jahrzehnt sowohl im Hinblick auf das Volumen als auch auf den Wert die chinesischen M&A-Aktivitäten im Ausland. Europäische und amerikanische multinationale Unternehmen haben diesen Trend maßgeblich vorangetrieben.
Ausländische Aktivitäten unter Führung von Finanzdienstleistungen und Logistik
Trotz des rapiden Rückgangs der neuen chinesischen M&A-Aktivitäten im Ausland zogen einige Sektoren weiterhin das Interesse chinesischer Käufer auf sich.
Finanz- und Unternehmensdienstleistungen zogen zwischen Januar und Mai 2020 neue chinesische Übernahmen im Wert von 1,3 Milliarden US-Dollar an. Der bedeutendste Deal war Binance, die weltweit größte Kryptowährungsbörse, die CoinMarketCap, eine der am häufigsten referenzierten Kryptodaten-Websites, in einer Transaktion im Wert von schätzungsweise 400 Millionen US-Dollar erwarb. Das im Besitz von Fosun befindliche Unternehmen Hauck & Aufhäuser erwirbt die deutsche Privatbank Bankhaus Lampe für geschätzte 280 Millionen US-Dollar.
Chinesische Investoren blieben auch weiterhin am Infrastruktur- und Logistiksektor interessiert, mit angekündigten Übernahmen in Höhe von 1,2 Milliarden US-Dollar im gleichen Zeitraum. Dies war in erster Linie dem Erwerb der mittel- und osteuropäischen Logistikimmobilien der Goodman Group durch den Investmentmanager GLP für 1,1 Milliarden US-Dollar zu verdanken. GLP kündigte auch an, eine 40-prozentige Beteiligung an der in Hongkong ansässigen Li & Fung für 371 Millionen zu übernehmen.
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