Rekordsummen für deutsche Startups – Berlin bleibt vorn
- Gesamtwert der Investitionen in deutsche Startups steigt 2021 um 229 Prozent auf 17,4 Milliarden Euro
- Zahl der Investitionen steigt um 56 Prozent auf 1.160
- Berlin und Bayern liegen bei Investitionsvolumen und Deal-Zahl weit vorn
- Branchenvergleich: FinTech-, E-Commerce- und Software-Startups erhalten jeweils mehr als 3,5 Milliarden Euro
- Acht Finanzierungsrunden gezählt von mehr als 500 Millionen Euro – Vorjahr: Null
Nie zuvor floss so viel Geld an deutsche Startups wie im vergangenen Jahr. Der Gesamtwert aller Risikokapitalinvestitionen in deutsche Jungunternehmen hat sich von 5,3 auf fast 17,4 Milliarden Euro mehr als verdreifacht (plus 229 Prozent). Die Zahl der Finanzierungsrunden stieg um 56 Prozent auf 1.160 und erreichte damit ebenfalls einen neuen Rekordwert. Vor allem die Zahl der Großdeals mit einem Volumen von mehr als 100 Millionen Euro ist im Vergleich zum Vorjahr von acht auf 33 förmlich explodiert.
Unverändert sind Berlin und Bayern die deutschen Startup-Hotspots: 10,5 Milliarden Euro gingen im vergangenen Jahr an Berliner Unternehmen (Vorjahr: 3,1 Milliarden Euro). Damit vereinigte die Berliner Startup-Szene 60 Prozent des insgesamt in Deutschland investierten Kapitals auf sich. Bayern kommt mit 4,4 Milliarden (Vorjahr: 1,5 Milliarden Euro) auf einen Marktanteil von rund 26 Prozent. Die Lücke zu den im Investitionsranking folgenden Bundesländern ist groß: An Startups in Baden-Württemberg flossen knapp 600 Millionen Euro, an nordrheinwestfälische Jungunternehmen 566 Millionen Euro, Hamburger Startups erhielten 459 Millionen Euro.
In allen größeren Startup-Standorten Deutschlands wurde nicht nur ein Anstieg des Investitionsvolumens registriert, auch die Zahl der Investitionsrunden stieg: In Berlin um 60 Prozent auf 503, in Bayern um 30 Prozent auf 228, in NRW um 63 Prozent auf 101. Eine überdurchschnittlich positive Entwicklung verzeichnete Baden-Württemberg, wo die Zahl der Finanzierungen um 115 Prozent auf 73 zulegte, und Niedersachsen, wo eine Versechsfachung auf 44 Transaktionen festgestellt wurde.
Das sind Ergebnisse des Startup-Barometers der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY (Ernst & Young). Berücksichtigt wurden Unternehmen, die grundsätzlich höchstens zehn Jahre alt sind.
„Die Pandemie erweist sich immer mehr als Katalysator für einen regelrechten Startup-Finanzierungsboom“, sagt Dr. Thomas Prüver, Partner bei EY. „Branchen- und standortübergreifend steigen die Investitionsaktivitäten. Das heißt: Immer mehr Startups kommen an frisches Geld. Zudem entwickeln sich die Investitionssummen geradezu explosionsartig. Der Grund ist das neu entfachte Interesse an potenziell disruptiven Geschäftsmodellen, vor allem im Technologiebereich. Hinzu kommt, dass auf Investorenseite ein hoher Anlagedruck herrscht. Es ist viel Geld im Markt – das kommt den erfolgversprechenden Jungunternehmen derzeit zugute.“
Software mit den meisten Deals, E-Commerce bekommt das meiste Geld
Die meisten Finanzierungsrunden wurden 2021, wie schon im Vorjahr, im Bereich Software & Analytics gezählt: Die Zahl lag mit 393 deutlich höher als im Vorjahr (232 Deals). Das Investitionsvolumen hat sich sogar von 1,0 auf 3,6 Milliarden Euro fast vervierfacht.
Noch mehr Geld floss jedoch an FinTech/InsurTech-Unternehmen, die insgesamt 3,8 Milliarden Euro (Vorjahr: 0,6 Milliarden Euro) erhielten, und E-Commerce-Startups, in die 3,7 Milliarden Euro investiert (Vorjahr: 1,0 Milliarden Euro).
„Die Investitionslandschaft hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert und ausgedehnt“, beobachtet Prüver. „E-Commerce bleibt zwar ein sehr starkes Segment, in das hohe Summen fließen, aber auch Technologie- und Software-Startups konnten teils extrem hohe Investitionssummen anziehen. Diese Unternehmen sind häufig hoch innovativ und haben vielfach das Potenzial, mit ihren Lösungen den digitalen Umbau der deutschen Wirtschaft voranzutreiben und so als Innovationsmotoren zu fungieren.“
Bayern hat sich endgültig als zweiter starker Startup-Standort etabliert
Berlin konnte zwar im vergangenen Jahr seine Position als Deutschlands führender Startup-Standort behaupten und verzeichnete abermals deutlich gestiegene Finanzierungsaktivitäten, allerdings konnte sich inzwischen auch Bayern als Top-Standort mit einem klaren eigenen Profil neben Berlin etablieren. Von den zehn größten Investitionsrunden, die 2021 registriert wurden, entfielen sieben auf Berliner Unternehmen und drei auf Jungunternehmen, die ihren Sitz in Bayern haben. „Die wirklich großen Deals werden vor allem in Berlin und Bayern abgeschlossen. Für die anderen Startup-Standorte ist es hingegen schwer, da mitzuhalten. Zwar steigen auch hier die Investitionssummen. Unterm Strich ist man aber weit entfernt von den Größenordnungen, die in Berlin inzwischen Alltag sind.“ So lag die durchschnittliche Investitionssumme pro Finanzierungsrunde im vergangenen Jahr in Berlin bei 21 Millionen Euro, in Bayern bei 19 Millionen Euro und in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen nur bei acht bzw. sechs Millionen Euro.
Immer mehr Einhörner in Deutschland
Die größte Transaktion in Deutschland fand im September statt und war eine Finanzspritze von 861 Millionen Euro für den Berliner Lieferdienst Gorillas, gefolgt von einer 830-Millionen-Euro-Investition in Celonis, den in München ansässigen Anbieter von Process-Mining Software, die im Juni vermeldet wurde. Dahinter folgen mit N26 und Trade Republic zwei Berliner FinTechs, die im Oktober 775 Millionen Euro bzw. im Mai 747 Millionen Euro erhielten. Insgesamt wurden acht Finanzierungsrunden gezählt, bei denen jeweils mehr als 500 Millionen Euro an die Unternehmen floss – zum Vergleich: Im Vorjahr war keine einzige Transaktion in dieser Größenordnung registriert worden, 2019 nur eine.
Mit der Zahl der Mega-Transaktionen wächst auch die Zahl der Jungunternehmen, deren Bewertung die 1-Milliarde-US-Dollar-Marke übersteigt, und die als Einhörner bezeichnet werden. „2021 war dank vieler hoher Investitionsrunden und hoher Bewertungen das Jahr der Einhörner in Deutschland. Und viel spricht dafür, dass die Entwicklung im Jahr 2022 ähnlich dynamisch verlaufen wird“, sagt Prüver.
(Quelle)