Von Gründergeist über Leadership zu Nachfolge: Strategien für einen erfolgreichen Übergang
Es gibt wohl keine emotionalere Frage für den Gründer bzw. das Gründerteam: Wer folgt auf den oder die Gründer? Unabhängig von Alter, Größe oder Branche des Unternehmens, ist die Wahl und der richtige Zeitpunkt des „Loslassens“ einer der heikelsten Prozesse im Lebenszyklus eines Unternehmens. Das Wichtigste vorab: Der Prozess sollte ein proaktiver, und kein reaktiver sein. Ein frühes Beschäftigen mit der Thematik ist definitiv ein Erfolgsfaktor, um das Business sicher in zukünftige, erfolgreiche Jahre zu manövrieren.
Die Unternehmergeneration der Babyboomer erreicht den Ruhestand. Die Suche nach einer passenden Nachfolgelösung erweist sich aber für viele als schwierig – denn die nachkommende Generation ist deutlich kleiner. Dies gilt insbesondere für teilweise über mehrere Generationen bestehende Familienunternehmen, wie sie im deutschen Mittelstand ein prägendes Bild in der Unternehmenslandschaft darstellen. Aber auch jüngere Gründer, vor allem aus dem Tech und Software-Umfeld stammend, müssen oder wollen sich mit der Thematik der Nachfolge beschäftigen, obwohl sie selbst noch einige Jahre im erwerbsfähigen Alter mitbringen. Wer seinem Unternehmen heute die Zukunft sichern will, muss zweierlei tun: Früh mit der Suche beginnen und, vor allem, loslassen (können).
Mehr und mehr börsennotierte Unternehmen sind gründergeführte Unternehmen. Nicht zuletzt das niedrige Zinsumfeld um die Jahrzehntwende hat dazu geführt, dass viele junge Unternehmen den Gang an die Börse durchgeführt haben. Doch bis zu einem IPO ist es ein weiter und oft herausfordernder Weg für Unternehmen. Die Transition von einer Unternehmensgründung zu einer erfolgreichen Nachfolge ist ein komplexer und vielschichtiger Prozess, der sorgfältige Planung und strategisches Handeln erfordert.
Generell lässt sich der Übergang in folgende Phasen einteilen:
- Gründungs- und Aufbauphase: „Ich als Gründer übernehme alle Aufgaben selbst.“
Die Anfänge des Gründerdaseins sehen in der Regel so aus: Der Gründer übernimmt alle Aufgaben selbst. In dieser Phase liegt der Schwerpunkt auf der Etablierung des Geschäftsmodells, dem Aufbau von Strukturen und der Gewinnung von Marktanteilen. Der Gründer ist oft die zentrale Führungsperson, die Vision und Richtung vorgibt. Auch die ersten Personen, die dann eingestellt werden, sind Generalisten, die einem Schweizer Taschenmesser gleichen und alle möglichen Aufgaben übernehmen, ohne eine konkrete Funktionsabgrenzung zu haben. Der Übergang von Start-up zu Scale-up ist dann schnell fließend.
- Wachstumsphase: „Wir delegieren die Aufgaben an Mitarbeiter.“
Hier wächst das Unternehmen sowohl in Bezug auf Marktpräsenz als auch auf Personal. Führungsaufgaben werden zunehmend delegiert, und die Unternehmensstruktur wird komplexer. Der Gründer ist nicht mehr bei jeder Einstellung involviert und kennt eventuell auch nicht mehr jeden Namen der Mitarbeiter. Das ist normal und auch gut so. Denn anders kann keine Reifung der Organisation entstehen. Neben den eigenen, ersten Mitarbeitern kommen oftmals durch Venture Capital-Investoren in dieser teilweise sehr frühen Phase des Unternehmens weitere Stakeholder hinzu, deren Interessen beachtet und bedient werden müssen.
Viele Gründungsteams erfahren in dieser Phase ein weiteres Phänomen: Sie erkennen nicht den Unterschied zwischen Wachstum und Skalierung. Die unbequeme Wahrheit ist, dass die Arbeitsweise eines Start-ups mit 50 oder 100 Mitarbeitern grundlegend anders ist als die Arbeitsweise mit 150 oder 250 Mitarbeitern.
Warum ist dies so? Weil die organisatorische Komplexität exponentiell zunimmt, selbst wenn die Mitarbeiterzahl linear wächst. Eine Organisation, die mit 50 oder 100 Mitarbeitern gut organisiert und effektiv war, entwickelt sich spätestens ab 150 Mitarbeitern sehr schnell zu einem bürokratischen, statischen und verwaltenden Apparat. Mehr und mehr wird das Thema Talent dabei zu einer Herausforderung. Haupthindernis für Scale-Ups bei der Suche nach Talenten ist der Mangel an qualifizierten Kandidaten auf dem Arbeitsmarkt für bestimmte Profilgruppen, insbesondere aus den Bereichen MINT, Ingenieurwesen und Entwicklung. Diese Gruppe wird nicht nur von Scale-ups, sondern auch von Unternehmen aller Größen umworben. Dies führt umso mehr zu einem Ringen um Talente, da ein kleinerer Talentpool besteht.
Je stärker die Organisation dann wächst, umso mehr muss sich der Gründer fragen. „Ist das wirklich etwas, das ich hier und jetzt lösen sollte? Oder ist es eher meine Aufgabe, die Organisation so aufzubauen, dass diese in der Lage ist, die operativen Fragen zu lösen?
In dieser Adoleszenzphase stehen hinter Start-ups bzw. Scale-ups oftmals Venture Capital Fonds als Geldgeber. Die Investoren haben zusammen mit anderen Stakeholdern wie Kreditgebern und Aktionären hohe Erwartungen hinsichtlich der finanziellen Performance des Investments und des Wachstums des Unternehmens.
Dies kann auch der erste Zeitpunkt sein, zu hinterfragen, welche Zügel langfristig noch in der Hand gehalten werden sollen.
- Reifephase und Vorbereitung der Nachfolge: „Wer übernimmt eigentlich einmal meine Rolle?“
Zwischen der vorigen und dieser Phase können nun verschiedenste Szenarien liegen. Das Unternehmen kann stark wachsen und weckt beispielsweise aufgrund einer hohen Bewertung oder eines erfolgsversprechenden Geschäftsmodells Interesse von Private Equity Investoren, in der Regel im Bereich Small- bis Midcap. Die Motivation, das Unternehmen in nachfolgende Hände zu geben, kann ebenfalls verschiedenste Gründe haben: Alter, Krankheit, Verlangen nach mehr Freizeit nach anstrengenden Gründerjahren, Konflikte innerhalb des Gründerteams, anstehender Börsengang, fehlendes Kapital, drohende Insolvenz etc. Früher oder später kommt es jedoch zur Frage, in welcher Person das Leiten der Unternehmung weiter ausgeführt werden soll. In dieser Phase beginnt der Gründer, über eine Nachfolgeregelung nachzudenken. Hier müssen strategische Entscheidungen getroffen werden, um den Übergang nahtlos zu gestalten.
- Nachfolgephase: „Es ist Zeit, das Zepter zu übergeben.“
Der eigentliche Wechsel in der Führung findet statt. Es ist entscheidend, dass die neue Führungspersönlichkeit das Unternehmen erfolgreich weiterführt und Innovation sowie Wachstum sichergestellt werden. Auch hier gibt es unterschiedliche Szenarien, inwieweit sich der Gründer früher oder später aus dem operativen Geschäft herauszieht. Entweder ist die Entscheidung ein klarer „Deal“ der Transaktion und der Gründer und das Leadership werden unmittelbar nach Unterzeichnung des Deals ersetzt. Möglich ist auch, dass der Gründer vorübergehend in den ersten Jahren operativ aktiv bleibt oder weiter als Advisor im Board fungiert.
Während dieser Phasen gilt es Erfolgsfaktoren und Parameter, die es zu beachten gilt:
- Kommunikation und Transparenz: Eine offene und transparente Kommunikation ist entscheidend für einen reibungslosen Übergang. Der Gründer sollte regelmäßig mit dem Vorstand, den Investoren und den Mitarbeitern kommunizieren, um die Vision und die Strategie des Unternehmens klar zu vermitteln. Dies hilft, Vertrauen aufzubauen und sicherzustellen, dass alle Beteiligten auf dem gleichen Stand sind.
- Kultureller Wandel und Teamdynamik: Der Übergang vom Gründer zum Leader kann auch einen kulturellen Wandel im Unternehmen erfordern. Es ist wichtig, eine Unternehmenskultur zu fördern, die Innovation, Zusammenarbeit und kontinuierliches Lernen unterstützt. Der Gründer sollte darauf achten, dass das Führungsteam gut aufeinander abgestimmt ist und die neuen Herausforderungen gemeinsam angeht.
- Langfristige Perspektive: Schließlich sollte der Gründer den Übergang als Teil einer langfristigen Strategie betrachten. Der Fokus sollte darauf liegen, das Unternehmen für zukünftiges Wachstum und Erfolg zu positionieren. Dies kann bedeuten, dass der Gründer sich schrittweise zurückzieht und dem neuen Führungsteam Raum gibt, um eigene Entscheidungen zu treffen und das Unternehmen voranzubringen.
Warum spielt Venture Capital bzw. Private Equity beim Thema Nachfolge eine so entscheidende Rolle?
In der dynamischen Welt der Venture Capital (VC) und Private Equity (PE) finanzierten Unternehmen ist die Nachfolgeplanung ein kritischer Erfolgsfaktor. Der Wechsel in der Führungsspitze kann über den langfristigen Erfolg eines Unternehmens, und damit auch der getätigten Investition, entscheiden. Eine gute Nachfolgeplanung steigert die Bewertung des Unternehmens. Eine schlechte Nachfolgeplanung und damit einhergehende Unsicherheiten in der Weiterführung wiederum reduziert die Bewertung. Es geht also nicht bloß um das Bewahren einer großartigen, vom Gründer geprägten Unternehmenskultur oder seinem emotionalen Ausscheiden, sondern am Ende des Tages knallhart und insbesondere auch um die Rendite für die Investoren.
Die Fonds spielen dabei eine wichtige Rolle, bringen sie doch nicht nur Kapital, sondern auch wertvolle Expertise und Netzwerke mit. Sie können dabei helfen, die Unternehmensstruktur zu optimieren, die Value Creation voranzutreiben und die Nachfolgeplanung durch die Personalauswahl zu unterstützen. Es ist wichtig, dass der Gründer und das Managementteam eng mit den Investoren zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Interessen aller Parteien ausgerichtet sind. Bei Disharmonie kann es sonst dazu kommen, dass die Interessen der Parteien zu weit auseinander liegen und das Projekt Nachfolge zu scheitern droht. Beispielsweise dann, wenn der PE-Fond Weltklassetalente einstellen möchten und sich auf die Wertschöpfung während seines Haltezyklus konzentrieren möchte, die Prioritäten des Firmengründers jedoch eher dazu tendieren, eine starke Führungskraft für den „Tag X“ einzustellen, die perfekt zur Unternehmenskultur passt.
Eine der größten Herausforderungen bei der Unternehmensnachfolge ist die Sicherstellung von Kontinuität im Leadership. Der Erfolg einer Nachfolgeregelung hängt maßgeblich von der Auswahl der richtigen Führungspersönlichkeit und der Integration dieser Person in das bestehende Team ab. Hier können Personalberatungen eine entscheidende Rolle spielen, indem sie sowohl den Investoren als auch den Unternehmen dabei helfen, die richtigen Führungskräfte zu finden und den Übergang nahtlos zu gestalten. In diesem Fall müssen Investor, Portfoliounternehmen sowie Beratung Hand in Hand wie ein Schweizer Uhrwerk zusammenarbeiten, um die beste Passung des Nachfolgers für das Portfoliounternehmen sicherzustellen.
Dabei gibt es mehrere kritische Aspekte, die berücksichtigt werden müssen. Diese Aspekte sind entscheidend, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten und den langfristigen Erfolg des Unternehmens sicherzustellen.
- Strategische Ausrichtung und Unternehmensvision
- Verständnis der Strategie des PE-Fonds: Der Nachfolger muss die strategischen Ziele des PE-Fonds verstehen und in der Lage sein, diese umzusetzen. Dazu gehört oft eine Wachstumsstrategie, die auf organischem Wachstum oder Akquisitionen basiert.
- Übereinstimmung mit der Unternehmensvision: Der Nachfolger sollte in der Lage sein, die bestehende Vision des Unternehmens fortzuführen oder weiterzuentwickeln, um die Kontinuität zu gewährleisten.
- Kompetenzen und Qualifikationen des Nachfolgers
- Führungserfahrung: Der Nachfolger sollte über umfangreiche Führungserfahrung verfügen, idealerweise in ähnlichen Branchen oder Unternehmenssituationen.
- Branchenkenntnisse: Branchenkenntnisse sind oft entscheidend, insbesondere wenn spezifische Marktbedingungen oder technologische Anforderungen eine Rolle spielen.
- Verständnis von Private Equity: Der Kandidat sollte ein Verständnis für die Arbeitsweise von PE-Investoren haben, einschließlich der Bedeutung von Cashflow, Renditeoptimierung und Exit-Strategien.
- Kulturelle Passung und Integration
- Unternehmenskultur: Der Nachfolger muss zur Unternehmenskultur passen oder in der Lage sein, notwendige kulturelle Veränderungen umzusetzen, ohne den Betrieb zu destabilisieren.
- Beziehung zu bestehenden Mitarbeitern: Ein reibungsloser Übergang erfordert, dass der Nachfolger in der Lage ist, das Vertrauen und die Unterstützung des bestehenden Teams zu gewinnen.
- Zeitliche und operative Planung
- Übergangsphase: Es ist wichtig, eine strukturierte Übergangsphase zu planen, in der der Gründer sein Wissen weitergeben kann. Dies kann die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Übergangs erheblich erhöhen.
- Kontinuitätsplanung: Sicherstellung, dass Schlüsselpersonen und Wissensträger im Unternehmen während und nach dem Übergang erhalten bleiben.
- Vertrags- und Anreizstruktur
- Vergütungsstruktur: Die Vergütung des Nachfolgers sollte sowohl fixe als auch variable Komponenten enthalten, die an die Erreichung bestimmter Unternehmensziele gekoppelt sind.
- Beteiligungsmodelle: Beteiligungsmodelle oder Co-Investment-Optionen können helfen, die Interessen des Nachfolgers mit denen des PE-Fonds in Einklang zu bringen.
- Risikoanalyse und -management
- Risikobewertung des Kandidaten: Eine sorgfältige Prüfung der potenziellen Risiken, die der Nachfolger mit sich bringen könnte, ist essenziell. Dazu gehören nicht nur operative Risiken, sondern auch mögliche kulturelle oder strategische Differenzen.
- Kontrollmechanismen: Implementierung von Mechanismen, um die Leistung des Nachfolgers regelmäßig zu überwachen und bei Bedarf Korrekturmaßnahmen einzuleiten.
- Regulatorische und rechtliche Aspekte
- Compliance: Sicherstellung, dass der Nachfolgeprozess im Einklang mit allen relevanten gesetzlichen Vorschriften und regulatorischen Anforderungen steht.
- Vertragsrechtliche Aspekte: Ausarbeitung von rechtssicheren Verträgen, die sowohl die Interessen des PE-Fonds als auch des Nachfolgers schützen.
- Exit-Strategie
- Alignment mit Exit-Plänen: Der Nachfolger sollte in der Lage sein, die Exit-Strategie des PE-Fonds zu unterstützen und eventuell zu beschleunigen, sei es durch einen Verkauf, IPO oder andere Formen des Exits.
- Nachhaltige Wertsteigerung: Der Nachfolger sollte langfristig denken und Maßnahmen ergreifen, die den Unternehmenswert nachhaltig steigern, um einen erfolgreichen Exit zu ermöglichen.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Nachfolgeplanung einen entscheidenden Wendepunkt im Lebenszyklus eines Unternehmens darstellt und eine strategische, weitsichtige und differenzierte Herangehensweise erfordert. Durch frühzeitige Planung, offene Kommunikation und die aktive Einbindung aller relevanten Stakeholder kann der Übergang von der Gründer- zur Nachfolgeführung erfolgreich gemeistert werden. Investoren spielen eine zentrale Rolle, indem sie nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch unverzichtbare Expertise und Netzwerke bereitstellen. Die Sicherstellung von Leadership-Kontinuität sowie die sorgfältige Auswahl des geeigneten Nachfolgers durch die Auswahl der richtigen Personalberatung sind die Schlüsselfaktoren für den langfristigen Erfolg des Unternehmens und somit des Return on Invests.
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Autor:
Maximilian Contzen ist Principal im Münchner Büro von Odgers Berndtson und Mitglied der Technology, CIO und Business & Professional Services Practice.
Er berät Unternehmensberatungen, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Private Equity Fonds und ihre Portfoliounternehmen sowie weitere Professional Service Firmen bei der Besetzung von Führungspositionen.
Zudem ist er Head of DACH des Scale Up Collective, einem globalen Verbund von Experten innerhalb von Odgers Berndtson, die eng mit Private Equity und Venture Capital zusammenarbeiten, einschließlich der Fonds und ihrer Portfoliounternehmen.
Vor seinem Wechsel zu Odgers Berndtson war er mehrere Jahre im Recruiting bei renommierten Top-Strategieberatungen wie Bain & Company und The Boston Consulting Group tätig.
LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/maximilian-contzen/
E-Mail: Maximilian.Contzen@odgersberndtson.com
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Über Odgers Berndtson:
Odgers Berndtson ist seit mehr als 50 Jahren eines der weltweit führenden Unternehmen für Executive Search und Leadership Assessment. Das Unternehmen sucht Führungskräfte und Spezialist:innen für Unternehmen in allen Branchen, öffentlichen Verwaltungen und Non-Profit-Organisationen. Odgers Berndtson Deutschland ist inhabergeführt und beschäftigt aktuell 100 Mitarbeitende mit Büros in Frankfurt und München. Weltweit sind rund 1.000 Mitarbeiter:innen an 67 Standorten in 35 Ländern für Odgers Berndtson tätig. Die Berater:innen arbeiten in international vernetzten Industry Practices, die sich auf die branchenspezifischen Bedürfnisse ihrer Klient:innen konzentrieren.
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